Einen Höhepunkt ihm Schaffen von Marion Hempel bilden zweifellos die künstlerischen Verglasungen für das Gemeindezentrum ,,Edith Stein“ in Wolfen. In den aus hochformatigen Scheiben bestehenden Fenstergruppen für den Kirchsaal, den Altarraum, die Kapelle und den Beichtraum verarbeitete sie zum einen Erfahrungen, die sie aus der intensiven Beschäftigung mit der Persönlichkeit Edith Steins (geboren 1891 – ermordet im Konzentrationslager Auschwitz 1942) gewonnen hatte und setzte sich darüber hinaus in einer Reihe weiterer Glasfenster mit Grundaussagen der katholischen Theologie auseinander. Die be achtenswerte Intensität und inhaltliche Dichte dieser Arbeiten wird durch Marion Hempels kraftvolle, starkfarbige Gestaltungen wirkungsvoll unterstrichen. Gerade die Edith Stein gewidmete Dreifenstergruppe mit ihren starken Blau-Weiß-Gelb Kontrasten und der vielteiligen, durch historische Symbole und Zeichen angereicherten, klaren Formensprache, dem Kontrast von Fläche und Linie, von Vertikale und Horizontale, von Ruhen dem und Schwebendem sprechen eine Sprache, die über das intellektuell Vorgegebene weit hinausgeht. In den übrigen Fenstern des Sakralraumes dominiert tiefes dunkles Rot. Die Künstlerin war sich der im Zusammenhang mit der Eucharistie naheliegenden Deutung als das Blut / der Leib Christi durchaus bewusst, als sie sich für diese Fenstergestaltung entschied. Der kompakte Rot-Schwarz-Klang der Kapellenfenster ist atemberaubend, zu mal er jeweils von einem gleichsam schwebenden Netzgespinst überfangen ist. Marion Hempel hat hier größere, starkfarbige Flächen, die im Inneren und an den Rändern aufgerissen sind, zu filigranen Netzstrukturen und offenen Lineaturen, zu strukturierten folieartigen Partien und fest umgrenzten geometrischen Figuren in Beziehung gesetzt. Die Expressivität und Symbolkraft dieser Glasfenster geht weit über deren primär christlich intendierte Inhalte hinaus und vermag auch den gedanklich unbeteiligten Betrachter völlig in ihren Bann zu ziehen.
Eine weitere Facette der Auseinandersetzung mit existenziellen Grundfragen des Lebens findet in einer Werkgruppe ihren Widerhall, mit der Marion Hempel schließlich die Koordinaten der Zweidimensionalität verlässt. Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich mit der Gestaltung freiplastischer Körper, Glas Metall-Installationen, die in unterschiedlicher Form das Thema des Kokons variieren. Begriffspaare wie Offenheit und Geschlossenheit, Außenwirkung und Verinnerlichung sind im Prozess des Entstehens ihrer Kokonskulpturen für die Künstlerin von großer Wichtigkeit. Runde Glaskörper, die nach ganz unterschiedlichen Technologien entstehen, werden entweder von einem metallischen Spiralmantel umhüllt, auf ein ballonartiges Metallgerüst aufgeschmolzen oder in Einzelteilen in einen Rahmen montiert. Sie stehen für ein natürliches, aus dem Tierreich bekanntes Phänomen, das für die Künstlerin zur Metapher wird, zur Spiegelung eines menschlichen Zustandes. Als Halm- oder Wickelkokons, als große Geflechte oder als „,Zeppelin“ installiert sie ihre Glaskörper sowohl als Freiplastiken im Naturraum wie auch als hängende Skulptur in einem hohen Innenraum, wo sie an ent sprechender Stelle ein Zeichen geben für die Verletzlichkeit alles Natürlichen.
Das Werk Marion Hempels rankt sich um einige wesentliche Themen existenzieller Natur, deren Lösung sie sich auf verschiedene Art in ihren Glaskunstwerken immer wieder neu anzunähern versucht. Auf diesem Weg spielen auch kleinere Arbeiten ei ne wichtige Rolle; neben den erwähnten Kabinettscheiben sind dies vor allem Graphiken und Collagen auf Papier, Folgen und Bilderzyklen, die entweder den Boden bereiten für kommende, in Glas auszuführende Werke, oder aber den Weg hin zu einer komplexen Gestaltung flankieren. Arbeiten wie die Gemäldefolge ,,Stufen“, eine Serie von 12 Malereien in Acryl auf Holz, sind da gegen inhaltlich wie formal von großer Eigenständigkeit und zeigen die Entschlossenheit von Marion Hempel, für die künstlerische Vermittlung neuer Ideen auch auf technischem Gebiet neue Felder zu beschreiten.
Uta Neidhardt